Werries im Wandel der Jahrhunderte. Band 1

Nach dem alle gegangen waren begann die Arbeit des Totengräbers und seinen Helfer. Die Grube musste nach der Beisetzung wieder mit Sand und Erde Aufgefüllt werden. Am ende lag dort ein großer Hügel. Der Rest des Sandes kam ganz an das Ende des Friedhofs zur späteren Verwendung.


Danach wurde die Arbeiten an der Gestaltung des neuen Friedhofs durch die Kälte des Winters Unterbrochen und erst Mitte März des darauf folgenden Jahres wieder Aufgenommen.


5.) Weil kaum Geld für eine Gestaltung der Friedhofsgrundstücke da war, pflanzte der Pastor mit Konfirmanden und Männern der Gemeinde Birken und legte die nötigen Wege an. Ein Bohrloch wurde gegraben und eine Handpumpe installiert. Später berichteten noch stolz alte Leute, wie sie als Konfirmanden dort mitgeholfen hatten.. 
Beide Gemeinden gestalteten ihren Friedhof so, als gäbe es den anderen Teil nicht. 
Keiner sprach sich mit dem Anderen ab.


Die Katholischen Gräber lagen alle nach Osten ausgerichtet, sodass die leere Rückseite der Grabsteine zum Evangelischen Teil hin zeigte.


Beide zogen ihren Mittelweg und pflanzten, was ihnen in die Finger kam und was sie billig oder gratis bekommen konnten.




Der damalige katholische Pfarrvikar Röhrig weihte das gesamte Grundstück im Anwesenheit aller Vertreter des Ortes am 13. April 1924 ein. 
Von nun an war für den Großteil der Werrieser ,,an der Lippe" die letzte Station auf dieser Erde. „Gemischte“ Ehepaare gab es damals wenige. Sie konnten sich auf beiden Seiten des Friedhofs beerdigen lassen.


Dann lief man in langem Zug von der Kolonie die fast zwei Kilometer zum Friedhof. Wer auf der Straße dem Wagen begegnete, blieb stehen und zog vor dem Verstorbenen seine Mütze. Manchmal zog eine Kapelle, manchmal Vereine, Partei, Fahnenabordnung oder Kranzträger vor dem Wagen her. Auf dem Friedhof war dann am offenen Grab der volle Trauergottesdienst. Nach Abschluss des Gottesdienstes kamen die verschiedensten Redner und Rituale der Vereine, Parteien und Arbeitsstellen zum Zuge und trieb auch manche wunderliche Blüten.
Die Taubenzüchter ließen ihre Tauben fliegen. Hundzüchter ließen ihre Hunde bellen. Die Sportler liefen auch im tiefsten Winter zitternd im Sportlerdress den langen Weg neben dem Sarg her.
 Wenn die Bergmannskapelle dabei war spielte sie auf dem Weg zum Friedhof getragene, langsame Musik. Auf dem Rückweg spielten sie fröhliche Musik mit Tschingdera und Bumm.




Für uns heutige ist es unverständlich, dass alle, die nicht zu den beiden Gemeinden gehörten, oder, die Selbstmord verübt hatten, „an der Hecke“ beerdigt wurden. Das galt als äußerst unehrenhaft und als Schande für die Familie.


Diese Reglung galt auch für freikirchliche Christen und für Sektierer.




Bis hier her.

Fortsetzung Folgt.



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