Werries im Wandel der Jahrhunderte. Band 1

Die Sole in Werries wies einen recht hohen Salzgehalt von etwa 8 % auf, war kohlensäurehaltig und mit 27 Grad Réaumur, also etwa 33 Grad Celsius, warm und heilsam. Die chemische Zusammensetzung und die medizinische Wirksamkeit wurden zunächst vom Apotheker Dr. Wilhelm von der Marck (1815-1900) aus Hamm ermittelten und später vom Geheimen Hofrat Dr. Karl Remigius Fresenius (1818-1897) in Wiesbaden bestätigt, der als Experte für die Chemie von Mineralwässern galt. Die Qualität der Sole sei hochwertig und brauche den Vergleich mit der in anderen etablierten Bädern nicht zu scheuen. Der Salzgehalt der Sole übertraf bei weitem der damals schon bekannten Oeynhauser, Nauheimer oder Kreuznacher Solen. Tausend Gramm des Hammer Brunnens enthielten 75 Gramm Chlornatrium; die Sole in Oeynhausen hatte dagegen nur 28 Gramm Salz, die in Nauheim 23 Gramm und die in Kreuznach nur noch 9 Gramm.


Die Sole wurde in einem schlichten Badeetablissement in hölzerne Wannen geleitet und dann der Gesundheit suchenden Öffentlichkeit zugänglich gemacht. In den Sommermonaten des Jahres 1877 konnte Rüth bereits 4.570 Bäder verabreichen. Die Kundschaft reiste zunächst aus Hamm und aus der näheren Umgebung an. Einige wenige kamen auch aus Münster. 1878 konnte Rüth mit Unterstützung des Badearztes Kreisphysikus Dr. Jehn die Badesaison schon am 15. Mai zu eröffnen. Er warb entsprechend in der Lokalpresse. Die Kurgäste suchten Hilfe gegen unterschiedliche Krankheiten. Rüth versprach, die Heilkraft der Quelle könne bei Skropheln, Knochenleiden, Gelenkleiden, apoplektischen Lähmungen, chronischen Hautkrankheiten und Rheumatismus von Nutzen sein. (Bei Skropheln handelt es sich um eine Drüsenanschwellung des Halses, die sich den Beobachtungen des 19. Jahrhunderts zufolge oft mit Tuberkulose verband. Die Erkrankung trat häufig bei Kindern auf, die in Armut und mangelnden hygienischen Verhältnissen aufwuchsen.) Die Sole sollte aber auch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen Frauenleiden und Erkrankungen der Atemwege und Nervenleiden helfen. Noch euphorischer äußerte sich Dr. Jehn: Das herrliche Schauspiel des silberweiß aus dem Steigrohre strömenden Sprudels zu sehen, wandern viele Schaulustige zur Quelle. Viele suchen sie schon aus Heilbedürfniß auf, Alle aber, die daselbst ein Bad genommen, rühmen unmittelbar nach dem Bade das Gefühl der Beruhigung, des Behagens und Wohlbefindens, was vorzüglich dem großen Reichthume der Quelle an Kohlensäure und zwar durch die Entlastung der inneren Organe und die gleichnmäßige über den ganzen Körper verbreitete Anregung der Hautthätigkeit und des Hautnervensystems zuzuschreiben ist.


Die neue Einrichtung in Werries entpuppte sich als Publikumsmagnet. Der Westfälische Anzeiger schrieb am 26. Juli 1877: Sehen wir die langen Züge von Personen, welche täglich vom früheren Morgen bis in die Nacht hinein zu Pferde, zu Wagen und zu Fuß zum Ostenthore hinaus nach der Werriesschen Salzquelle ziehen, so drängt sich die Frage auf, ob wir es mit einem augenblicklichen Modetaumel oder mit einem eine feste Dauer versprechenden Badeunternehmen zu tun haben. Das Fuhrunternehmen Berg reagierte auf die augenblickliche Nachfrage nach Transportmöglichkeiten in den Osten der Stadt. L. Berg bot zum Solbad zu Werries einen Omnibus an, d.h. ein Pferdefuhrwerk mit einem Wagen für acht Personen, der morgens um 6 Uhr vom Marktplatz aus die Fahrt antrat. Die Fahrt kostete eine Mark. Auch andere Fuhrleute aus Hamm, wie z. B. C. Lütkehoff,



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