Werries im Wandel der Jahrhunderte. Band 1

Nach 1919 wurde der 8 Stunden Tag eingeführt.

Der Mann hatte nun mehr freie Zeit. Die Hobbys und Vereine füllten den leeren Raum. Die Geselligkeit brachte etwas Entspannung in den harten Alltag. Ganz wichtig war, dass in den Vereinen jeder geachtet war, jeder einen leitenden Posten bekommen konnte und sich zu Hause fühlte.


Für die meisten Frauen änderte sich in ihrem Arbeitsprogramm nicht allzu viel. Für sie wurde kein 8 Stunden Tag eingeführt. Viele Männer taten zwar im Garten, auf dem Feld und bei den Tieren mit. Für die Frau blieben Haushalt, Kinder, Außenkontakte, Tiere und Vorratswirtschaft. Ein nicht endendes Programm. Deshalb gab es in den meisten Vereinen keine Frauen. Wenn der Verein ihres Mannes feierte, konnte sie dabei sein.


Außerdem gab es für sie die kirchlichen Frauenvereine, die zumeist einmal in der Woche zusammenkamen.


Unter den Vereinen der Männer waren wohl die „Taubenkasper“ die für die Zechensiedlungen typischsten Vereine. Die meisten, die in Werries viele Jahre lebten, kennen die Sache. Es gab in Werries, wenn ich mich recht erinnere, vier Brieftraubenvereine. Die Mitglieder züchteten die Tauben selbst. Die meisten hielten sie auf dem Dachboden über dem Obergeschoss. Die Tiere machten dem Taubenfreund jeden Tag viel Arbeit. Wie jedes Hobby führte es mit Kollegen zusammen und entspannte nach der harten Arbeit.


Im Sommer stand vor dem Casino Ecke Klenzestraße – Kaiserstra0e (heute Braamer Strasse) ein Reisebus für Tauben. Jeder Züchter, der Tauben mit auf die Reise schicken wollte, brachte seine Tiere zum Bus. Er bezahlte seinen Einsatz und ließ seine Uhr versiegeln. Dann brachte der Bus die Tiere aller Vereine, die sich zu einer Reisevereinigung zusammengeschlossen hatten, an einen fernen Ort. Dort ließ man die Tiere frei. Die Tiere flogen in die Lüfte Richtung Heimat. Die Männer wussten, wann ihre Lieblinge ungefähr bei günstigem Wind und Witterung zurück sein konnten. Sie hockten dann vor ihrem Haus an der Strasse und guckten in den Himmel. Oft stand eine Flasche Bier daneben und einer tauschte mit dem anderen seine Meinung aus. Es konnte dann sein, dass eins oder viele der kleinen „Rennpferde“ nicht zurückkamen. Ein Raubvogel konnte zugeschlagen haben oder Gewitter und Sturm konnte sie abgetrieben und geschwächt haben.


Wenn aber dann die Vögel einflogen, wurden alle munter. Sie stürzten zum Taubenschlag. Sie streiften der Taube den Ring ab und warfen ihn in die Taubenuhr. Die registrierte die Zeit des Einwurfs. Nach Abschluss des Rennens ging man dann zur Sammelstelle. Dort wurden die Zeiten ausgewertet und die Siegertiere ermittelt. Es gab dann je nach Einsatz und Erfolg eine kleine Summe zu gewinnen.



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